Wüste Lut, Iran, 12.11.2019
Endlich sind wir da. In der Wüste. In der Dasht-e Lut, im Südosten Irans. Um uns das große Nichts, die große Stille. Es ist toll. Allerdings auch ein bisschen unheimlich. Unklar ist, ob wir für den Teil, den wir befahren wollen, ein Permit und/oder Guide brauchen und was passiert, wenn man ohne erwischt wird? Denn die Wüste Lut ist auch Durchfahrtsweg für Drogenkuriere aus dem nahen Afghanistan. Angeblich wurde hier alles von den Landminen befreit. Manche sagen, es werden immer noch neue gelegt. Ob von der iranischen Polizei oder afghanischen Drogenhändlern, das ist nicht bekannt.
Von Minen und Dünen
Trotzdem beschließen wir, es zu wagen und alleine den Track von der Pistenkuh nachzufahren. Das ist nicht ohne. Wenn man ohne ein zweites Auto in der Wüste unterwegs ist, stellt sich die Frage: wie weit kannst du laufen, wenn du in ernsten Schwierigkeiten bist? Hier ist im Umkreis von mindestens 200 km keine menschliche Behausung, die nächste Straße ist ca. 100 km entfernt. Immerhin haben wir einen Satelliten-Pager für den Notfall. Trotzdem mag man sich den „Fall wenn“ lieber nicht vorstellen. Das Bild des ausgebrannten Pickups, der am Weg lag, ist auch noch frisch. Aber es wird schon gutgehen. Der Dieseltank ist voll (ha, für 4 Cent pro Liter!!), der Wassertank auch, die Reifen neu, das Auto kann auch was. Schon an der ersten Düne kurze Verunsicherung. Wir testen, wie sich das mit unserem schweren Schiff anfühlt. Ganz gut. Läuft. Kurz darauf stehen wir am Rand eines gewaltigen Beckens, da müssen wir runter. Weit runter. Es fühlt sich an wie ein Mauseloch. Sand, wohin das Auge reicht.
Alleine rein ins Mauseloch?
In der Ferne eine Staubwolke. Verdammt! Polizei? Banditen? Schnell das Fernglas raus. Das gibt’s doch nicht… ein deutsches Auto. Ein Augsburger. Aus dem klappernden Land Rover hüpfen zwei junge, gutgelaunte Typen: Daniel und Milan. Daniel (schau doch bei ihm vorbei) ist seit ein paar Monaten alleine durch Georgien, Armenien und Iran unterwegs. Den Backpacker Milan hat er in Aserbaidschan als Anhalter aufgegabelt. Seitdem sind sie zu zweit unterwegs. Sie wollen auch dem Pistenkuh-Track folgen. Alle miteinander sind wir erleichtert. Wir haben Spaß, trinken Kaffee, filmen uns gegenseitig beim Fahren, wir rollen durch die spektakuläre Landschaft, die Sonne scheint, die Buben probieren unbedingt ihre Sandbleche. 😉 Später gruseln wir uns sehr beim Anblick von Daniels Bildern von heute Morgen: ein völlig zusammengeschmolzener Hilux, der offensichtlich auf eine Landmine gefahren ist.
Ein Abend mit Benzin
Am Abend wird es für mich zäh. Eigentlich könnte es nicht schöner sein. Wüste, die nackten Füße im Sand, der volle Mond, Sterne, Lagerfeuer. Nur… Daniel ist Kfz-Meister, er hat bei VW gelernt. Und? Naaaaa? Christian hat kürzlich einen T5 4×4 mit Seikel-Umbau erworben. Bingo!! Daniel, das lebende Handbuch, und Christian, das wissbegierige Vakuum. Unglaublich, wieviele Wörter zwei Männer zur Verfügung haben, wenn sie über Autos fachsimpeln können. Sie kosten es richtig aus.
Irgendwo im Nirgendwo
Den nächsten Tag in der Wüste genießen wir aus vollen Zügen. Unser Stellplatz im Nirgendwo ist einfach sagenhaft schön, zwischen riesigen Sanddünen. Die Buben stehen 100 Meter weg von uns. Zum Glück sind sie, so wie wir, auch keine Kuschelcamper und Wagenburgbauer und wir haben auch mal Zeit für uns. Wir filmen, fotografieren, sitzen in der Stille auf der Düne. Wir staunen über die Endlosigkeit der Wüste, über die wunderschönen Formen und Farben der Dünen, bevor wir auf der Picknickdecke laut grölend runterrodeln. Die Sonne geht unter und taucht die Landschaft in alle Töne zwischen Rot, Lila und Gold, bevor der Vollmond über der Düne aufgeht. Gänsehaut pur. Nach unserem spärlichen Mahl aus Tütensuppe (bäh, aber wir essen halt, was es gibt) und Käse von zu Hause, sitzen wir am Lagerfeuer.
Lichterkette über der Wüste
Als ich rein zufällig nach oben schaue, sehe ich eine Lichterkette. Wie an einer Schnur reihen sich sehr helle Objekte aneinander, mindestens 30 Stück. Sie fliegen relativ tief und verschwinden am Horizont. Wir sind geschockt, verstört. Was zum Henker soll das sein? Immerhin rufen die Buben auch schon rüber, ob wir das auch sehen. Sonst würden wir an unserem Verstand zweifeln. Sind das Raketen? Zu langsam. Drohnen? Und so viele hintereinander? Waffentests? Immerhin ist eine Militärbasis in der Nähe an der afghanischen Grenze. Ich habe, ehrlich gesagt, ein bisschen Angst. Ist das jetzt Armageddon, Men in Black, sind das Aliens oder ist es das Ende der Welt? Ein Zeichen, ein Streich unserer Hirne oder der Eintritt in ein Paralleluniversum? Die Buben kommen rüber. Ratlosigkeit. Grübeln. Aber wir finden einfach keine plausible Antwort. Da sitzen wir nun, vier Menschen im Nirgendwo, ohne Kontakt zur Außenwelt. Mit einer Lichterkette über der Wüste.
Des Rätsels Lösung
Als wir ein paar Tage später wieder in der Nähe eines Sendemasten sind, folgt auch bald die Lösung. Elon Musk hat eine weitere Flotte von Starlink-Satelliten in den Orbit befördert. Zu sehen als wunderschöne, glitzernde Lichterkette am Nachthimmel.
Und als wäre das nicht genug, haben wir ein paar Monate später ein Déjà-Vu. Als wir im März 2020 zu Hause im Garten am Lagerfeuer sitzen, zieht doch glatt wieder eine Lichterkette in voller Pracht über den mondlosen Nachthimmel. Schöne, schräge, neue Welt.
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