Der Natur nahe sein, das Einfache schätzen, langfristig denken. Im Bergsteigerdorf Steinberg am Rofan sind das keine leeren Worthülsen, sondern eine bewusste Entscheidung einer lebendigen Dorfgemeinschaft.

Kurve um Kurve windet sich die Straße durch das enge Tal, vorbei am mächtigen Guffert, entlang saftiger Wiesen und eines glasklaren Bachs. Langsam beruhigt sich der Geist, der Stress lässt nach. Bis am stimmungsvoll beleuchteten „Steinberg am Rofan“, das den Ortseingang ziert, endgültig klar wird: Hier ist etwas anders. Das Talende öffnet sich. Wie eine Arena umrahmen die Berge die sanft geschwungenen Wiesen, auf denen sich jahrhundertealte Höfe und einige Häuser verteilen. Stille Natur im Rhythmus der Jahreszeiten. Sonst nichts. Durchatmen. Eine traumhafte Kulisse, ein besonderer Zauber, eine andere Welt.

Tourismus in den Alpen damals und heute

Sie sind selten geworden, solche Orte in den Alpen, deren Gesicht sich in den letzten Jahrzehnten verändert hat. War doch das Bergsteigen in seinen Anfängen verwegenen Abenteurern vorbehalten, das Reisen zur Luftkur in die Berge eine exklusive Unternehmung für gutbetuchte Erholungsuchende. Ab dem 20. Jahrhundert wurde Urlaub in den Bergen immer beliebter. Heimatfilme prägten das Bild der Sommerfrische in heiler Bergwelt.

Selbst in armen, unzugänglichen Tälern entstanden immer mehr Hotels und Bergbahnen. Bergsteigen und Skifahren wurde zum Breitensport, der Tourismus zum Industriezweig, oft auf Kosten der Natur. Heute entstehen immer noch große Hotels, Skiarenen mit Parkhäusern, Rolltreppen, Schneekanonen, Funparks und Großgastronomie, immer findigere Attraktionen buhlen Sommer wie Winter um die Gunst des Gastes.

Das, was die Berge ausmacht

Das, was die Berge ausmacht – die Ruhe, das Einfache, das Erleben der Natur – scheint in den Hintergrund zu rücken. Berge werden nicht mehr erlebt, sie werden konsumiert. Mancherorts wird inzwischen nach- und umgedacht. Hin zu mehr Ruhe statt Reiz, zu mehr Erhalten statt Zerstören, zu weniger statt mehr.

„Einfachheit ist das Resultat der Reife.“ Friedrich Schiller

Schon früh entschied man sich in Steinberg gezielt für den sanften Tourismus und für den Erhalt der intakten Natur statt großer Erschließungen, als nach einer Blüte in den 70er-Jahren die Gäste ausblieben. Die rund 300 Bewohner, die ihr Steinberg stolz das schönste Ende der Welt nennen, sind sich des unschätzbaren Werts ihrer Heimat bewusst. Und sie tun etwas dafür.

Aktive Bürgerbeteiligung

Seit gut zehn Jahren pflegt die Gemeinde eine aktive Bürgerbeteiligung. So entstand die Idee zum ersten großen Wurf: das Dorfhaus im Ortszentrum mit Gasthaus und Veranstaltungssaal. Der moderne Bau aus Lärche und Sichtbeton – ausgezeichnet mit zahlreichen Preisen – steht symbolisch für die maßgebende Denkweise: Bewährtes erhalten und offen sein gegenüber Neuem. Wenige Zeit später trug der Bürgerrat zusammen, was Steinberg ausmacht und wie man dieses einzigartige Erbe schützen kann – festgehalten im Steinberger Wertekatalog. Dieser umfasst Punkte wie Schönheit der Natur, ökologisches Gleichgewicht, Ruhe, Herzlichkeit, Wertschätzung, Zusammenhalt und Handschlagqualität, Alle zukünftigen Projekte sollen nach diesen Werten beurteilt werden.

Ernennung zum Bergsteigerdorf

Eine fast logische Konsequenz war für die Dorfgemeinschaft die Bewerbung zum Bergsteigerdorf. „Wir müssen kein Bergsteigerdorf werden, wir sind es ja schon“ war die Devise. Die Kriterien und die Philosophie der Bergsteigerdörfer musste man nicht neu erfinden, das war alles schon da. Mit viel Tatendrang und Herzblut meisterte man die Hürden der Bewerbung. Im Herbst 2021 wurde Steinberg feierlich in die Gemeinschaft der Bergsteigerdörfer aufgenommen. Auf den Lorbeeren ausruhen will man sich aber keineswegs. Viele Projekte und Ideen sind schon in der Umsetzung.

Europäischer Dorferneuerungspreis

Ganz „nebenbei“ wurde Steinberg im November 2022 mit dem Europäischen Dorferneuerungspreis ausgezeichnet. Der Wettbewerb „forciert ländliche Gemeinwesen, die sich den Herausforderungen ihres Lebensraums mit nachhaltigen, innovativen und zeitgemäßen Projekten stellen und ganzheitliche Entwicklungsprozesse in Gang bringen, alle Bevölkerungsgruppen in das örtliche Geschehen einbinden und auf diese Weise unterschiedliche Perspektiven, weitere Horizonte und vielfältigere Ideen gewinnen“. Ganz einfach: Steinberg.

„Respektvoll“ lautet eine Rubrik im Magazin „Bergauf“ vom Österreichischen Alpenverein.
Für das Heft #2.2023 durfte ich einen Artikel über meine Heimat Steinberg am Rofan schreiben. Auch als Teil des „Teams Bergsteigerdorf“, das sich mit viel Engagement und Herzblut für die Ernennung einsetzte und zukünftige Projekte vorantreibt, macht mich das natürlich besonders stolz und glücklich.