Liebes Tagebuch! 

Heute zum Toyota-Dandler in Ankara, es hilft ja alles nichts. Nach etlichen Çay und noch mehr Blabla im Tony-Montana-Büro doch noch ein erlösender Handschlag für 460 €. Naja, was soll’s. Der dafür engagierte Federschmied passt anscheinend nicht zum Image des Tony-Montana-Palasts, weil sie uns erst nach noch mehr Blabla selbst hinfahren lassen. Der Federschmied trägt ganz arbeitssicherheitskonforme Badeschlappen, der Onkel vom Chef eine goldene Rolex. Für 11 Taler nebenan in der Arbeiterkneipe gut Mittag gegessen. Zurück im Palast noch mehr Blabla, ich bin schon ganz erschöpft. Um 15 Uhr, nach noch mehr Blabla, vielen Fotos und Händeschütteln, doch noch die Kurve gekriegt.

Nach einem verwirrenden Besuch im HGS-Maut-Shop endlich Richtung Göreme! Vorbei am Salzsee Tuz Göki. In Aksaray lecker Abend gegessen (Manti, Huhn, Salat, Vorspeisen, Brot, 5 Çay und Wasser für 55 Taler, leider das Trinkgeld falsch bemessen, oh je!) und im Dunkeln lange einen Stellplatz mit vermeintlich falscher Koordinate (am besten einfach nur lesen) von Park4Night gesucht.

Unserer ist aber auch sehr schön und vor allem individuell und wir freuen uns auf die kappadokischen Ballone morgen Früh.

Türkei, 21.10.2019

Unser armer Shaka schaukelt. Und geht ganz schön in die Knie – unter der Last von 270 Liter Diesel, 80 Liter Frischwasser, 20 Liter Wasser im Außenkanister, dem Einbau, Werkzeug (nicht zu vergessen unsere tolle Mini-Kettensäge, die uns noch gute Dienste leisten wird!) einem schweren Aufstelldach nebst gut bestückter Kletterkiste. Der Federweg geht gegen null. Bei jeder noch so kleinen Bodenwelle schlägt die Feder durch. Und dabei waren wir bis auf ein paar Ausflüge ins Gelände am Schwarzen Meer nicht mal nennenswert offroad unterwegs. Für ein schickeres Fahrwerk hat uns zu Hause das Geld und die Zeit gefehlt. Aber der Praxistest ist derart miserabel – es hilft alles nichts. Da wir nicht wissen, was und welche technischen Standards uns auf unserer Reise noch so erwarten, entscheiden wir uns, das noch in der Türkei zu erledigen.

Im Büro von Tony Montana

Also zum Toyota-Dandler nach Ankara. Es ist ein Palast. Der Chef, Efe, ein kleiner, sehr freundlicher Mann mit sehr weißem Hemd, mit goldenen Ringen und brillantbesetzer Armbanduhr, bittet uns in sein Büro. Er empfängt uns herzlich. Ich komme mir vor wie bei Tony Montana höchstpersönlich. Weißer Marmor, bodentiefe Fenster, kitschige Gemälde, ein Kronleuchter aus Kristall. Sein wuchtiger Schreibtisch thront auf einem Podest aus Marmor, er thront in einem noch wuchtigeren Chefsessel über allen und allem. Dazu raucht er weiße Slim-Zigaretten. Die schwülstigen, plüschigen Polstermöbel, die einen schier verschlucken, verstärken das Gefühl, sehr, sehr klein zu sein.

Çay, Kekse und viel Kristall

Es wird Çay in kleinen Kristallgläsern und Kekse auf einem Kristallteller gereicht. Auf dem Kristalltisch steht ein riesiger Kristallaschenbecher. Christian bemüht sich gewandt und diplomatisch. Ich hingegen beschränke mich gern auf die Rolle des schmückenden Beiwerks. Nein, wir wollen kein neues Fahrwerk. Ja, wir wollen nur eine Feder. Nein, wir wollen nicht zwei Wochen warten. Ja, wir wohnen in unserem Auto, nicht im Hotel. Und nein, wir lassen das Auto nicht zwei Tage hier, schon gar nicht allein in der Werkstatt. Denn ja, wir wohnen wirklich in unserem Auto. Es wird noch mehr Çay ohne Kekse serviert. Der Chef versteht. Er telefoniert. Lange. Der sehr freundliche Service-Chef erscheint. Es ist der Sohn. Sie diskutieren. Lange. Noch mehr Çay. Ja, sie haben einen Federschmied, der könnte helfen. Nach zähen Verhandlungen wollen sie umgerechnet 460 Euro. Wir schlucken. Wir wissen, das ist zu teuer. Aber wir wollen auch nicht länger warten. Endlich der erlösende Handschlag.

Beim Federschmied mit den Badelatschen

Der Federschmied ist außerhalb des Palastes zu finden. Man merkt, er ist zwar gut, aber dem Palast auch etwas peinlich. Mit Mühe bekommen wir die Erlaubnis, mit dorthin zu fahren. Der, natürlich, sehr freundliche Bruder Efes, also der Onkel des Service-Chefs, erscheint. Klar, Family Business. Er soll mit, zum Übersetzen. Er quetscht sich und seinen Bauch mit mir auf die schmale Sitzbank, er duftet intensiv nach After-Shave, trägt einen obszön dicken Ring und am Arm eine goldene Rolex. Wir fahren ein paar Blocks weiter. Hier reihen sich eine kleine, schmierige Werkstätten aneinander. Eine davon ist die unseres Mechanikers. Die Wand der spartanischen Werkstatt schmücken viele Urkunden. Der, wie sollte es anders sein, sehr freundliche Federschmied trägt Badelatschen und raucht Kette. Englisch kann er kein Wort. Der Onkel erklärt, der Schmied versteht. Und er versteht sein Handwerk. Von einem Hyundai hat der die passende Federn. Mit rudimentären Werkzeugen wird gemessen, geschmiedet und gewerkelt.

Eine Frau mit Laptop und Essen für 50 Cent

Christian hält den Onkel mit Bildern aus der Heimat bei Laune. Ich verziehe mich gegenüber in eine Kneipe. Eine Frau haben sie hier offensichtlich noch nie gesehen. Geschweige denn eine Frau mit Laptop. Auf dem ranzigen Plastikstuhl sitze ich und arbeite fieberhaft, denn der nächste Abgabetermin rückt schon wieder drohend näher. Später essen wir hier für 11 TL, also Türkische Lira, äh Taler, umgerechnet 50 Cent, Mittag. (Seitdem sagen wir zu jeder Fremdwährung Taler :-)). Moment, das Essen kostet für zwei Leute 50 Cent? Da kann man sich grob ausmalen, wieviel die Mechaniker hier verdienen und wieviel unser Federschmied von den 460 Euro wohl bekommt?

Der Schmied strahlt

Nach zwei Stunden und mindestens einer halben Schachtel Zigaretten hat er es geschafft. Der Shaka steht wieder gut und hinten fast sportlich erhöht, der Schmied strahlt übers ganze Gesicht und Christian ist zufrieden. Ich bin zufrieden, weil er zufrieden ist. Außerdem weiß ich jetzt genau, für was die Land-Rover-Trittstufe am Heck wirklich gut ist. Ohne sie könnte ich jetzt nicht mehr so elegant (so elegant das nun mal eben geht) hinten einsteigen. Zurück im Palast wehren wir uns gegen weiteren Çay, denn wir müssen einfach mal los. Es ist schon spät und wir wollen nicht in der Stadt schlafen müssen. Wortreich, mit allen guten Wünschen und Segnungen und nach vielen Fotos werden wir verabschiedet. Die Toyota-Familie winkt. Auf nach Kappadokien! Die Türkei ist einfach schön.