Das labile Wetter scheint diesen Sommer kein Ende zu nehmen. Gerade tobt bei uns im Rofan schon wieder das nächste Gewitter. Ich hab heute das „Glück“  gemütlich im Büro zu sitzen – ich beobachte das Schauspiel aus sicherer Entfernung. Wer allerdings schon mal schutzlos bei Gewitter am Berg war, der weiß um die elementare Angst vor der Natur. Und die ist mehr als gerechtfertigt. Extreme Spannung bis zu mehreren Millionen Volt zwischen Erde und Wolken, Temperaturen bis zu 30.000 Grad und gewaltige Stromstärken bis zu 400.000 Ampere… man muss kein Physikgenie sein – es ist einfach furchteinflößend. Auch wenn relativ wenige Menschen tatsächlich vom Blitz getroffen werden zählt das Gewitter zu den größten Gefahren auf Tour. Trotzdem sieht man immer wieder auf beliebten Touren wie im Höllental noch Bergsteiger im Aufstieg zum Klettersteig, obwohl es blitzt und donnert und wir schon schleunigst auf dem Weg nach unten sind. Sogar ein Bergführer fragte uns mal, warum wir denn jetzt eigentlich umkehren. Ist das mangelnder Sach- und Menschenverstand oder falscher Ehrgeiz? No risk, no fun? Eher ziemlich dämlich. Denn vor einem Gewitter kann man sich relativ gut schützen! Nur wie?

Gute Tourenplanung

Erstmal spielt natürlich (mal wieder) eine umsichtige und sorgfältige Tourenplanung eine wichtige Rolle. Der tagesaktuelle, regionale Wetterbericht ist ebenso ein Muss wie das dauernde Beobachten des Wettergeschehens. Bei akuter und angekündigter Gewitterneigung nimmt man sich am besten nicht die Königsetappe oder die große Überschreitung vor. Eine Ersatztour und/oder das frühzeitige Aufbrechen und/oder die Möglichkeit, die Tour frühzeitig abzubrechen, bringt bei typischen Sommer- bzw. Wärmegewittern schon einen großen Vorteil.

Arten von Gewittern

Man unterscheidet zwei Arten von Gewittern: das Wärmegewitter und das Frontgewitter. Typische Vorboten eines Wärmegewitters sind: Schnelles Auftürmen von Quellwolken, die sich zu riesigen, kilometerhohen Wolkentürmen ausbilden und an der Oberseite eine fasrige, schirmartige Struktur zeigen. Diese Wolken sehen aus wie ein „Amboss“  und sind charakteristische Gewitterwolken. Man nennt sie Cumulonimbus – für den, der das nächste Mal mit Wissen glänzen möchte ;-). Exponierte Gipfel sind in Wolken und nicht mehr zu sehen. Gefährlich wird es aber auch wenn noch keine Cumulonimbus-Wolken „gereift“ sind. Blitzschlag ist auch schon bei hochaufgetürmten Quellwolken möglich!
Frontgewitter treten an der Grenze zu heranrückender Kaltluft, sogenannten Kaltfronten, auf. Kalte Luftmassen schieben sich unter die wärmeren bodennahen Luftschichten und zwingen sie aufzusteigen. Es kommt zu starker Konvektion, intensiven Luftbewegungen und entsprechender „Aufladung“. Frontgewittern geht oft sehr schönes Wetter voraus und sind ungleich schwerer zu erkennen als Wärmegewitter und kommen schnell und tageszeitenunabhängig. Sie  können das ganze Jahr über auftreten, fallen im Sommer aber oft weit heftiger aus. Im Vergleich zum Wärmegewitter, das meist kurz ist und nach der Entladung sich die Wetterlage wieder beruhigt, bringt das Frontgewitter immer einen Wetterwechsel mit starkem Temperatursturz mit sich. Sturm und intensiver Schneefall sind auch im Hochsommer im Gebirge keine Seltenheit. Am heftigsten fallen bei uns Frontgewitter aus, wenn heiße Mittelmeerluft von polarer Kaltluft abgelöst wird. Gut zu beobachten war das in Österreich vor ca. zwei Wochen. Kalte Luftmassen aus dem Westen mit einer Schneefallgrenze um die 2.000 Meter prallten auf heiße Luftmassen im Osten mit Temperaturen bis zu 37 Grad. Schwere Unwetter mit Sturm, Hagel, Starkregen und Murenabgängen waren die Folge.

Richtiges Verhalten bei Gewitter

Das ständige Beobachten des Wetters ist bei angekündigter Gewitterlage besonders wichtig. Ist ein Gewitter im Anmarsch, kann man gut dessen Zugrichtung beobachten. Zieht es auf mich zu oder von mir weg? Achtung, eine Gewitterzelle kann auch ihre Richtung ändern! Auch wenn das Gewitter noch weit entfernt scheint und nur Blitze (Wetterleuchten) zu sehen sind, entscheidet man sich gegebenenfalls für den Abbruch der Tour oder eine Ausweichmöglichkeit, z.B. eine Schutzhütte. 
Sieht man Blitze, hört aber keinen Donner, so ist das Gewitter noch mindestens 18 Kilometer entfernt. Auf dieser Strecke wird nämlich der Schall geschluckt. Die Entfernung des Gewitters lässt sich überschlägig leicht errechnen. Der Schall bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 330 Metern pro Sekunde. Macht einen Kilometer auf drei Sekunden. Die Sicherheit trügt jedoch leider. Blitze können auch noch in fünf Kilometer Entfernung vom eigentlichen Gewitter einschlagen! Liegen zwischen Blitz und Donner weniger als dreißig Sekunden, wird es gefährlich. Sind es nur drei Sekunden, ist jederzeit mit einem Blitzschlag zu rechnen. Sträuben sich die Haare, surren metallische Gegenstände wie Pickel oder sind sogar Elmsfeuer, ein Entladungsphänomen, zu sehen, ist sofort der Rückzug anzutreten! Das heißt: so schnell wie möglich runter von Gipfeln, Graten, exponierten Stellen, weg von Seilbahnstützen, Bächen oder nassen und moosigen Bereichen! Allerdings ist der Blitz nicht nur auf den jeweils höchsten Punkt „geeicht“. So kann es genauso einen Wanderer auf einer Hochebene treffen.
Wirklich sicher ist man nur in Schutzhütten oder Biwakschachteln mit Blitzableiter. Zelte bieten genauso wenig Schutz wie offene Unterstände oder einzelne Bäume. Den Spruch „Eichen sollst du weichen, Buchen sollst du suchen“ kann man getrost vergessen. Erst dichter Wald schützt im Allgemeinen vor Blitzschlag. Höhlen können einen gewissen Schutz bieten, wenn sie groß genug sind. Der Abstand zu Wänden und Eingang muss dafür mindestens eine Körperlänge oder mehr betragen. Kleine Nischen oder Überhänge sollte man wegen möglicher Kriechströme meiden.
Hat mein keine Möglichkeit zum Rückzug, soll man sich auf eine isolierende Unterlage, z.B. den Rucksack oder das (trockene) Seil kauern und die Beine und Füße fest geschlossen halten. Nur so ist die sogenannte Schrittspannung am kleinsten. Bei Blitzunfällen wird nämlich die Hälfte dem Blitzeinschlag (heißer Blitz) und die andere Hälfte dem daraus resultierenden Bodenstrom (kalter Blitz) zugemessen. Der Spannungsunterschied ist je nach Abstand zwischen den Füßen erheblich! Kühe erwischt es hier besonders hart – ihre Schrittspannung liegt bei bis zu 100.000 Volt. Daher sterben viele Kühe, obwohl sie nicht direkt vom Blitz getroffen werden. Beim Bergsteiger in offener Schrittstellung können 50.000 Volt Schrittspannung bestehen, in Kauerstellung mit geschlossenen Beinen nahe Null! Gefährlich ist auch das oft empfohlene Hinlegen auf den Boden. Hier ist die Schrittspannung erheblich höher als beim Gehen. Besonders brenzlig ist die Situation am Klettersteig und beim Klettern. Einerseits durch Leitlinien wie das Drahtseil – nichts anderes als ein überdimensionaler Blitzableiter – oder das nasse Seil, andererseits durch die hohe Schrittspannung mit Armen und Beinen am Fels. Bietet das Gelände die Möglichkeit vom Drahtseil wegzukommen, so sollte man das schleunigst tun. Ist das nicht möglich, sollte man mit der Selbstsicherung gesichert bleiben. Klammern sind hier dem Drahtseil vorzuziehen. Denn nach einem direkten oder indirekten Blitzeinschlag abzustürzen, ist auch keine Option. Bedenken sollte man auch, dass der heftige Gewitterregen oft Steinschlag auslöst, was vor allem in Rinnen und Flanken ein Problem darstellt.
Auch beim Klettern/Klettersteig kauert man sich so gut es geht zusammen und versucht, den Abstand zum nächsten Kletterer herzustellen. Das gleiche gilt auch für Wanderer in Gruppen, hier sollte man auch die Abstände zu den Tourenpartner vergrößern.

Was tun mit Metall?

Grundsätzlich ziehen metallische Gegenstände entgegen der landläufigen Meinung Blitze nicht an. Ragen sie aber wie ein Pickel am Rucksack über den Körper hinaus, bedeuten sie jedoch einen möglichen Einschlagpunkt. Also weg damit und in sicherer Entfernung ablegen! Das Handy kann angeschaltet und im Rucksack bleiben.

Zusammengefasst: Richtiges Verhalten bei Gewittern

  • Gründliche Tourenplanung mit aktuellem und regionalen Wetterbericht
  • Ständige Wetterbeobachtung während der Tour: Lieber zu früh bzw. umsonst umdrehen und Behausung mit Blitzableiter aufsuchen. Die defensive Entscheidung ist immer die richtige!
  • Bei drohendem Gewitter weg von exponierten Stellen und Leitlinien wie wasserführenden Bereichen oder Drahtseilen
  • Hinkauern, am besten auf kleinflächig isolierende Ausrüstung wie Rucksack oder Seil
  • Metallene Ausrüstungsgegenstände entfernt ablegen
  • Am Klettersteig mit Selbstsicherung gesichert bleiben, dabei eher an Eisenklammer als am Drahtseil
  • Gruppen verteilen sich