Der Wolf genießt nicht unbedingt einen guten Ruf. Berichte über Angriffe auf Haus- und Nutztiere durch freilebende Wölfe und eine Portion Stammtischwissen schüren Sorgen und Ängste. Nicht nur bei den Bauern, sondern oft bei Menschen, die 100km vom nächsten Wald entfernt wohnen. Auch ich kann mich nicht dagegen wehren. Wenn ich alleine auf der Jagd nach Steinpilzen durch den Wald streife, kommt schon mal das mulmige Rotkäppchen-Gefühl aus der Kindheit hoch.

Letztes Jahr waren wir im Oktober mit Gästen auf dem Weg zur Zugspitze über die Wiener-Neustädter-Hütte vom Eibsee aus. Über Nacht hatte es zum ersten Mal geschneit. Im Schnee entdeckten wir immer wieder Spuren. Ein Wolf? Wir überlegen hin und her und sind uns schließlich sicher, dass es ein Wolf war. Denn welcher Hund sollte in dieser Gegend, drei Stunden von der Zivilisation, alleine durchs Geröll streifen? Und wohin?
Wir freuen uns über unsere Entdeckung, aber was würden wir jetzt machen, wenn der Wolf vor uns steht? Ist die Angst vor Wölfen berechtigt oder nur eine gut gepflegte Legende?

Wölfe sind nach EU-Recht und allen Naturschutzgesetzen der Unionsländer eine streng geschützte Art. Außerdem sind Wölfe ökologisch von großer Bedeutung. „Die Natur leidet nachweislich unter der Abwesenheit von großen Beutegreifern wie dem Wolf oder dem Braunbär.“, sagt WWF-Experte Bernhard Kohler. Raubtiere spielen eine Schlüsselrolle für die Gesundheit von Ökosystemen, insbesondere von Gebirgswäldern. „Bergwälder brauchen die Beutegreifer, um Hirsche, Rehe und Gämsen in Schach zu halten.“ Wegen der hohen Dichte an Rothirschen, Rehen und Gämsen in Österreich sind unsere Gebirgswälder einem starken Verbissdruck ausgesetzt. Der Wald kann sich deshalb auf riesigen Flächen nicht ausreichend verjüngen. Die Bergwälder verlieren dadurch langfristig ihre Schutzfunktion gegen Hochwässer, Muren und Lawinen. Nur wenn ausreichend Jungwuchs aufkommt, bleibt der Wald dicht genug um Naturkatastrophen abzuwehren. Dieser Qualitätsverlust des Waldes könnte demnach durch die regelmäßige Anwesenheit von Wölfen entschärft werden. „Die Beutegreifer sorgen dafür, dass sich die Rotwild-, Reh- und Gams-Bestände räumlich ungleichmäßig verteilen. Dadurch entstehen große verbissfreie Flächen, auf denen sich auch empfindliche Baumarten wie die Tanne wieder natürlich verjüngen können.“ Das trifft vor allem in Bundesländern wie Tirol zu, in denen ein Großteil des Waldes im Steilgelände liegt und wichtige Schutzfunktionen erfüllt.“ Besonders die kombinierte Anwesenheit von Wolf, Bär und Luchs hätte positive Effekte, wobei es gar nicht gesagt ist, dass es zu einer dramatischen Reduktion der Wildbestände kommt. Entscheidend ist vielmehr die ungleichmäßige Verteilung der Pflanzenfresser.“ Halter von Nutztieren wie Rindern, Schafen und Ziegen sehen das aber oft anders. Sie sehen ihre Tiere in Gefahr vor räuberischen Übergriffen des Wolfs. Schutzmaßnahmen wie Elektrozäune und Herdenschutzhunde helfen und werden, zumindest in Österreich, finanziell gefördert.

Angriffe auf Menschen sind selten und meist nicht tödlich. Einige Fälle in USA sind auf eine Tollwutinfektion des Wolfs zurückzuführen. Durch Tollwut verlieren die Tiere ihre natürliche Scheu. Die Tollwut gilt aber in Deutschland seit 2008, in Österreich sogar seit den 90er-Jahren als ausgerottet.
Wölfe leben sehr zurückgezogen und das Glück, einen freilebenden Wolf in unserer Gegend zu sehen, haben nur wenige. Die scheuen Tiere weichen den Menschen in aller Regel aus. Seit in Deutschland wieder Wölfe leben, hat es keinen Angriff auf Menschen gegeben. Demgegenüber sind laut dem Naturschutzbund Deutschland NABU bereits 24 Wölfe illegal getötet worden.

In Deutschland war der Wolf seit 1904 ausgerottet. Ab 1996 haben sich hierzulande wieder Wölfe über Polen dauerhaft angesiedelt, die meisten davon leben in der Lausitz. Dort wurden im Jahr 2000 die ersten Wolfswelpen in Deutschland geboren. Aber auch in der Sächsischen Schweiz, in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen haben sich inzwischen Wölfe niedergelassen. Seit 2006 wurden in Bayern immer wieder einzelne Wölfe gesichtet. Dies waren allerdings meist durchziehende Jungtiere. In Österreich wird von einem Bestand von 11 Wölfen berichtet.

Umso größer war nun die Überraschung im Nationalpark Bayerischer Wald. Bei einer routinemäßigen Auswertung einer Fotofalle huschten drei junge Wölfe durch das Bild – seit 150 Jahren ist dies der erste Nachweis von Jungtieren bei freilebenden Wölfen in Bayern.

Quellen: Deutscher Alpenverein, WWF Österreich