Jetzt mal ehrlich. Letztens kam Christian und mir beim Abstieg eine ganze Herde Kühe mit ihren kleinen Kälbern entgegen, die gerade auf die Alm getrieben wurden. Die Kuhmütter waren ziemlich aufgeregt und zeterten ununterbrochen, die Kälber wuselten durcheinander, die jungen Bullen wirkten irgendwie nervös. Die geladene Stimmung war unheimlich. Der schmale Forstweg, steiler Bergwald, die uns umzingelnden Kühe… wir flüchten uns aufs rettende Dach einer Hütte im Wald. Immerhin ein sicherer Platz, die leichte Panik legte sich nur langsam. Puh, da unten möchten wir jetzt nicht mehr sein und ich brauche ein paar Minuten bis ich das heimelige Hüttendach wieder verlassen will…

Ich habe einfach ein bisserl Schiss vor Kühen – allerdings bin ich immer noch traumatisiert von einer Kuhherden-Attacke, auch wenn die schon dreißig Jahre zurück liegt. Mal wieder ein Familienurlaub, sprich Survivaltraining, dieses Mal mit dem Zelt im Zillertal. Oberhalb der Berliner Hütte schlagen wir unser Nachtlager auf, ein herrlicher Platz auf einer weichen Wiese, Wasser in der Nähe und zum Essen gibt es auch genug. Wir hören das leise Bimmeln der Kühe, aber es scheint weit genug weg zu sein. Mitten in der Nacht werde ich aus dem Schlaf gerissen. Papa stürmt aus dem Zelt, die Kuhherde hat uns umstellt. Wir Mädels drücken uns aneinander. Ich bin mir sicher, dass unser letztes Stündchen geschlagen hat. Das Gebrüll und Gefuchtel von Papa draußen vor dem Zelt ist offensichtlich beeindruckend – erschreckt rennen die Kühe davon. Doch nach 100 Metern überlegen sie es sich anders, blasen zum Angriff und galoppieren direkt auf uns zu. „Schnell, die Pickel!!“ Dass Papa immer die besten Ideen hat… 😉 Wir schnappen uns die Eispickel und hauen damit panisch auf die Felsen. Die prima Riesenfunken und unser wildes Geschrei verunsichert die Viecher dann doch. In letzter Sekunde kehren sie um und verschwinden in die schwarze Nacht. Viel geschlafen haben wir dann allerdings nicht mehr. Aber das nur am Rande.

Immer wieder passieren Unfälle mit Kühen, die meisten in Verbindung mit Hunden. Aber auch Wanderer ohne Hunde werden manchmal angegriffen und teils lebensgefährlich verletzt. Wie verhält man sich am besten unter Kühen? Klar, Kühe schauen so putzig-einfältig aus, aber sind sie gutmütig oder wirklich aggressiv und gefährlich? Eine Almerin erzählte mir kürzlich, dass die Kühe nicht mehr so den Kontakt zu den Menschen haben wie früher. Früher waren die Kühe echte Haustiere, wurden von Hand gemolken, gepflegt und auf die Weiden getrieben. Heute stehen viele Kühe in Offenställen, kommen in die Melkanlage und haben auch keinen (Körper)-Kontakt zu ihren Bauern. Vielleicht wissen die „modernen“ Kühe nicht mehr den Menschen richtig einzuschätzen. Ob das stimmt, kann ich nicht beurteilen, aber es ist ein interessanter Ansatz.

Nach einem weiteren tödlichen Unfall Anfang Juni hat die Landwirtschaftskammer Tirol in einen Aufklärungsfilm investiert. In einfacher, gut gemachter Comicform werden die wichtigsten Verhaltensregeln für Wanderer veranschaulicht. Die Regeln sind leicht erklärt:

  1. Den Weg nie verlassen und über keinen Zaun steigen.
  2. Zügig durch Tore und Zäune gehen und sie schließen.
  3. Auf dem Wanderweg bleiben und nicht näher als nötig zu den Kühen hingehen.
  4. Kühen auf dem Wanderweg großräumig ausweichen, keine hektischen Bewegungen machen.
  5. Bei Kühen mit Kälbern achtsam sein. Kälber niemals streicheln.
  6. Hunde an der Leine führen und ruhig halten.
  7. Wenn eine Kuh auf einen Hund losgeht, ihn ableinen. Der Hund ist schneller als die Kuh.
  8. Nie von einer Kuh wegrennen. Langsam entfernen und ihr nicht den Rücken zukehren.
  9. Bei einem Angriff sich groß machen und Arme heben.
  10. Diese Regeln beim Wandern beachten.

Der Clip wurde gemeinsam von der Landwirtschaftskammer Tirol, der Tirol Werbung, dem Alpenverein, der Wirtschaftskammer und der Landesveterinärdirektion konzipiert und soll ein weiterer Schritt sein, um bei Wanderern, Freizeitsportlern und Erholungsuchenden mehr Bewusstsein für den richtigen Umgang mit Weidevieh zu schaffen.

Eine gelungene Ergänzung zum ewig gleichen Rezept: Eine Portion Menschenverstand, einen großen Schapfer Respekt vor der Natur, eine Prise Hintergrundwissen. Das sollte auch für das sichere Überqueren einer Kuhweide reichen, selbst wenn man keinen Pickel zur Hand hat. 😉

Berg heil!